Abendmahl am Bildschirm feiern?

Gemeinden werden digital

In der Coronazeit laufen Computer und Smartphones noch heißer als sonst. Auch in den Kirchengemeinden. Viele haben gelernt, am Bildschirm als Kirchenvorstand zu diskutieren und abzustimmen; Stadt-Land-Fluss mit den Konfis zu spielen, die alle zuhause sitzen; oder den Gottesdienst mit Vikar Sonnemeyer zu feiern. Lauter neue Erfahrungen. Auch verblüffende: Ja, da passiert was und ich bin dabei – dennoch fehlt was. Aber besser so als gar nicht. Bei mancher Schulung z.B. denke ich sogar: Genügt doch! Dafür hätte ich nicht 200 km durchs Land fahren wollen.

Abendmahl digital?

Und wie ist das mit dem Abendmahl: Könnte man das nicht auch am Bildschirm feiern? Ich sehe dann Pfarrer Stoltz in der Kirche zu, wie er Jesu Einsetzungsworte über Brot und Wein spricht, habe vor mir ein Stück Brot und ein Gläschen Wein und denke mir, dass die mitgemeint sind, wenn Christi Worte kommen: Das ist mein Leib – für euch gegeben, das ist mein Blut – für euch vergossen.

Streiflichter der Debatte

Es gibt dazu eine lebhafte Diskussion in den evangelischen Landeskirchen und Foren. Wer das Stichwort „Abendmahl digital“ im Computer
eingibt, bekommt unzählige Beiträge aufgelistet. In der Zeitschrift „Zeitzeichen“ etwa plädiert Pfarrer Ralf-Peter Reimann für das Abendmahl am Bildschirm: „Wenn der omnipräsente Christus selbst zum Abendmahl einlädt, kann seine Gegenwart nicht auf eine bestimmte räumliche Reichweite um den Altar beschränkt sein.“ Und: „Entscheidend ist die Gemeinschaft beim Abendmahl“ – und die sei auch digital möglich. Professor Volker Leppin aus Tübingen hält dagegen: Wenn die Pfarrerin „Das ist mein Leib‘“ sagt, meint sie das Brot vor sich auf dem Altar – nicht das Brot, das ich neben meinen Bildschirm stehen habe. Sollen auch die vielen Brote an den Bildschirmen mitgemeint sein, geht Entscheidendes verloren: Dass Christus in, mit und unter diesem Brot auf dem Altar gegenwärtig ist.

Christina Costanza, Studienleiterin am Theologischen Studienseminar in Pullach, spricht von der „Fernanwesenheit“ Christi: Im Abendmahl wird der Ferne anwesend – wobei die volle Gemeinschaft mit ihm noch aussteht. Etwas fehlt immer (noch). Gerade das digitale Abendmahl könnte das erfahrbar machen (Zeitschrift „Für den Gottesdienst“, Mai 2021).

Neben den Debatten sind einige Kirchenleitungen bereits tätig: Die Hannoversche Landeskirche ermuntert ihre Gemeinden, das digitale Abendmahl zu erproben und Erfahrungen damit zentral zu sammeln. Einige Landeskirchen haben über ihre Gottesdienstinstitute Arbeitshilfen veröffentlicht, wie Gemeinden digital Abendmahl feiern können.

Mein vorläufiges Fazit

Wie bei digitalen Gottesdiensten, Gesprächen oder Schulungen fehlt mir auch beim digitalen Abendmahl etwas: Dass wirklich das Brot dort
auf dem Tisch Christi Leib ist – und dieses eine Brot ausgeteilt wird – nämlich an mich und die Menschen neben mir, die wie ich die Hand aufhalten. Dennoch stimme ich auch Pfarrer Reimann zu: Christus kann nach unserem Glauben überall gegenwärtig werden, also auch im digitalen Raum; in diesem Raum bildet sich eine Gemeinschaft, wenn auch eigentümlich. Solche eigentümliche Gemeinschaft erfahren wir ja schon länger bei Onlineandachten und Bibelgesprächen. Wer zu Coronazeiten solche digitalen Veranstaltungen besucht, empfindet den Unterschied zu ihren realen Vorbildern – und findet dennoch, an einem Gottesdienst oder Bibelgespräch teilzunehmen. So ähnlich könnte es ja auch beim digitalen Abendmahl sein: Das ist Abendmahl, ich feiere es mit anderen und bin mit Christus verbunden. Aber viel mehr meiner Sinne sind dabei, wenn ich wieder einmal Abendmahl vor Ort mit anderen feiern kann!

Pfarrer Sebastian Degkwitz