Wie betreiben wir Pfarrleute Seelsorge?

Seelsorge ist – ein Ereignis. Sie ereignet sich, wenn zwei miteinander reden – und einer oder eine am Ende findet: Das hat meiner Seele gutgetan! Seelsorge ist Wohltat für die Seele. Und was ist nun die „Seele“? Da fällt die Antwort schwerer. Weil die Seele nicht zu greifen ist. Ich habe (so meine ich) eine Seele, aber ich kann sie nicht steuern. Seele regt sich. Seele wird spürbar. Seele ist tief in mir. Sie verbindet mich mit dem Ursprung des Lebens, mit Gott. Wenn meine Seele verbunden ist, atmet sie auf – und ich kann wieder „Ja“ zum Leben sagen. So versuche ich, Seele zu umschreiben.

Seelsorge geschieht in Ehrfurcht vor der Seele eines Menschen und im Vertrauen auf Gott. Ich vertraue darauf, dass Signale durch mich hindurchgehen, die die Seele erreichen: Gesten, Worte, Blicke, Haltungen. Als Seelsorger weiß ich nicht, welche Blicke und Worte, welche meiner Reaktionen und Gesten mein Gegenüber erreichen. Nun gut, ich habe Erfahrungen gemacht, was in einem Gespräch wohl gewirkt hat. Aber darüber staune ich oft, weil ich damit nicht gerechnet hätte. Ich kann Seelsorge nicht machen. Ich kann nur in ein Gespräch gehen und darauf vertrauen, dass Seelsorge geschieht. 

So wenig wir die Seele greifen und gezielt behandeln können, so unkontrollierbar sind auch die Gelegenheiten, in denen es zu Seelsorge kommt. Ja, es gibt die Situation, dass jemand uns um ein Gespräch bittet. Da gibt es eine Frage, ein Anliegen. Wir treffen uns, zuhause oder im Büro, sprechen darüber, suchen Möglichkeiten, mit der Lage umzugehen. Es gibt aber auch die umgekehrte Situation: Wir Pfarrpersonen kommen spontan zu Besuch oder rufen an, am Geburtstag z.B. Schon am Telefon reden wir darüber, wie es geht. Aber wir machen vielleicht auch einen Termin aus, um länger reden zu können. Zu solchen Gesprächen kommen wir gern zu Ihnen nach Hause. Sie können einen triftigen Grund haben. Es kann aber auch einfach darum gehen, sich kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen. 

Wir machen als Pfarrpersonen auch die Erfahrung, dass es zwischen Tür und Angel ungeplant zur Seelsorge kommt: Wir treffen jemanden auf der Straße oder am Fahrradständer vor dem REWE – und hören auf einmal, wie da eine Seele nach Luft schnappt. 

Immer wieder sind auch Gespräche zu den sogenannten Kasualien Gelegenheiten der Seelsorge. Wir besuchen eine Familie, um eine Taufe vorzubereiten; wir sitzen mit einem Paar am Wohnzimmertisch, das kirchlich heiraten will; oder wir sitzen zu mehreren zusammen, weil ein Angehöriger gestorben ist und demnächst beerdigt wird. Wir müssen zwar Organisatorisches besprechen und entscheiden, welche Lieder gesungen und welche Texte gelesen werden. Doch da liegt eine Stimmung in der Luft, die muss, die will zur Sprache kommen: Traurigkeit oder Vorfreude, Anspannung oder Bedrückung. Als Seelsorger bemühen wir uns, das zu bemerken und dem Raum zu geben.

Wofür wir auch da sind: Kranke oder Sterbende besuchen; auf Wunsch mit ihnen das Abendmahl feiern. Allerdings können wir das nur, wenn wir davon erfahren. Bei einigen Gesprächen kommen wir dazu, ein Gebet zu sprechen, den Segen zuzusprechen. Wir vertrauen damit jemanden Gott an. Das ist auch das Letzte, was wir tun können, wenn ein Mensch gestorben ist. Manche Angehörige rufen uns dann. Wir kommen ins Haus, wir sprechen über die verstorbene Person und segnen sie. 

Ich habe erzählt, wie wir Pfarrerinnen und Pfarrer Seelsorge betreiben. Denn naturgemäß geschieht das im Verborgenen. Und über die Jahre hat es sich gewandelt. Manche können sich wenig darunter vorstellen. Aber vielleicht haben Sie nun eine Idee bekommen, wann für Sie eine Situation da ist, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wir sind bereit. Oder Sie kennen jemanden, auf den Sie uns aufmerksam machen wollen. Auch da gilt: Sprechen Sie uns an!

Pfarrer Sebastian Degkwitz