Mein Beruf

Er ist anstrengend.
Und vielfältig.
In meinem Beruf weiß ich nie, was der Tag mir bringt.
Ich wechsle oft meine Rolle.
Ich bin Krankenschwester und Galeristin.
Ich bin Übungsleiterin und Mediatorin.
Ich bin Raumgestalterin und Lektorin.
Ich bin Organisatorin und Mutterersatz.
Ich bin oft frustriert, erschöpft und überfordert.
Aber vor allem bin ich immer wieder freudvoll und dankbar.
Mein Beruf bringt mir so viel Gutes.

Neulich kam mir schon morgens um 7.45 Uhr eine kleine Klientin entgegen: „Ich habe meinen Schutzengel verloren“, rief sie mir verzweifelt zu. Ich schaute auf eine Stelle weit über ihrem Kopf, lächelte sie an und sagte: „Das glaube ich nicht. Da ist er doch noch.“ Stille, Erstaunen, ein Blick nach oben und ein ungläubiges Strahlen in den Augen. „Siehst du ihn?“ „Du etwa nicht?“ „Nein, er ist doch so klein und silbern.“ „Ach, du meinst einen Anhänger!“, gab ich mich geschlagen. „Frag doch mal im Sekretariat! Dort werden Wertgegenstände gesammelt.“ Und tatsächlich, die kleine Figur war dort und eine kleine Welt war wieder in Ordnung. 8.30 Uhr: Wir lösen Kettenaufgaben. Ein Schüler rechnet: „3 + 4 = 7 … plus 2 ... Trommelwirbel!“ Kurze Stille dann ein allgemeines Fingerklopfen auf den umliegenden Tischen. Zufrieden blickt sich der Rechenkönig um, genießt seinen kleinen Triumpf und ruft schließlich: „ Ist gleich …. 9!“ Applaus brandet auf.

Ich denke, Sie wissen nun, was mein Beruf ist: Ich bin Lehrerin. Ich bin oft frustriert, erschöpft und überfordert. Meine Nerven liegen blank. Aber bei so viel Gutem, das mir begegnet, jeden Tag, immer wieder, kann ich meinen Beruf nur lieben.