Vom Geheimnis der Weihnachtslieder

Wann sonst drängt es Sie zu singen? Am Lagerfeuer, im Chor oder im Fußballstadion? So viele Anlässe gibt es gar nicht. Weihnachten ist nach wie vor das wichtigste Liederfest, das wir haben. Den Engeln sei Dank!

Das älteste Weihnachtslied ist nämlich das der Engel auf dem Hirtenfeld von Bethlehem: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14). Seit diesem nächtlichen Engelsgesang gehören zu Weihnachten die Lieder. Zu keinem anderen christlichen Fest sind so viele Lieder entstanden, die zudem bis heute gesungen werden. Kein anderes Fest hat so populäre, ja berühmte Lieder hervorgebracht. Weihnachten ist ohne Lieder gar nicht möglich. Weihnachten nähert man sich singend. Und erst in den Liedern wird es Weihnachten. Dem möchte ich nachgehen.

Warum faszinieren uns die Weihnachtslieder so?

Ich habe da mehrere Vermutungen. Denn Weihnachtslieder sind eine unglaublich reichhaltige Sache. Sie faszinieren, weil sie stimmungsvoll sind und Gefühle wecken – viele verschiedene wie Freude und Staunen, aber auch Frieden und Harmonie, Rührung und Ehrfurcht. Jeder und jede ist da für was anderes empfänglich. Und schön, dass es so viele verschiedene Weihnachtslieder gibt, damit jeder und jede in Stimmung kommt: in die ganz eigene.

Rührselig – aus gutem Grund.

Nun frage ich umgekehrt, wieso die Melodien der Weihnachtslieder so stimmungsvoll ausfallen. Ich glaube, das liegt am Kind in der Krippe. Das rührt die Herzen und weckt die schönsten Gefühle – und Melodien. In den Weihnachtsliedern kommt Jesus wirklich zur Welt – und zwar in meinem und deinem Herzen.

Das Echo von Bethlehem.

Wenn wir Weihnachtslieder singen, klingt in ihnen bis heute das erste Lied der Engel
nach. Als wären unsere Lieder das Echo der Engel: Viele Lieder sind voller Ehrfurcht
und reagieren damit auf das „Ehre sei Gott“ der Erde. Andere beschwören den
„Frieden auf Erden“, der zuallererst zwischen Maria, Josef und Jesus herrscht. Es
sind Lieder der Freude – um die Freude der Hirten nachzuempfinden (Lk 1,20), und Lieder der Anbetung (1,16f.), wie sie die Hirten uns vormachen. In diesen Liedern, in ihren Texten wie Melodien, kommen Gott und Mensch zusammen. Die Menschlichkeit Gottes ist das Lied, das Menschen singen. Und während sie singen, ist Gott da, ganz menschlich und zugleich geheimnisvoll und überirdisch. Weihnachten mit seinen Liedern hilft, Gott nahe zu sein.

Die Hirtenbrille.

Viele Lieder erzählen die Geschichte als ganze, meistens aus der Sicht der Hirten. Hirten haben keinen Hochschulabschluss. Sie sind mit Aufgaben beschäftigt, bei denen sie Hand anlegen müssen. Mit ihren Augen in die Krippe zu schauen, soll helfen, sich Schritt für Schritt und sehr schlicht dem Geheimnis zu nähern. Die Hirtenbrille hilft, dass jeder und jede in der Krippe Gott entdecken kann. Zahlreich sind diese erzählenden Lieder. Denn Ereignisse, die nicht zu fassen sind, wollen immer und immer wieder erzählt werden – ohne je auserzählt zu werden. Wo Worte nicht alles erklären können, ist Musik das Beste, um das Staunen und die Freude über das Erzählte festzuhalten. So sind Weihnachtslieder die perfekte Weise, Gott zu begegnen: ihn ganz menschlich erzählen zu können, ohne sein Geheimnis zu lüften.

Was ist Ihr Lieblingsweihnachtslied?

Das haben wir Bläser und Sängerinnen unserer Chöre gefragt. Ihre Antworten mögen Sie dazu bringen, Ihr eigenes Lieblingslied herauszufinden. Damit Sie es singen und Gott Mensch wird – bei Ihnen.

Pfarrer Sebastian Degkwitz