Mein Osterspaziergang

Wenn die Osterglocken ihre ersten Spitzen in den Himmel strecken und die Sonnenstrahlen das winterliche Grau durchbrechen, dann leid ich‘s nicht länger zuhaus. Ein paar Schritte an der Frühlingsluft machen den Geist weit und das Herz froh. Nicht erst seit 2020 gehört das Spazieren zum Feiertag und erst recht zu Ostern dazu. Es tut mir gut. Gute Gespräche kommen ins Laufen. Ich kehre anders wieder zurück.

In meiner Kindheit ging es am Ostermontag an den Steinsee. Dort versteckt die Wasserwacht schon seit Jahren immer zu Ostern rund ums Gewässer Eier und Schokolade für die Kinder. Ich kann mich noch erinnern, wie ich sorgfältig unter alle Sträucher und Gräser linste, in der Hoffnung etwas zu entdecken. Einmal habe ich sogar den echten, richtigen Osterhasen getroffen. Heute bin ich leider oft zu spät dran um noch etwas zu finden. Aber zum Steinsee komme ich trotzdem gern an Ostern und beginne hier meinen Osterspaziergang. Der führt mich in 1,5 Stunden über 5,34 Kilometer bis nach Zinneberg.

Schon Goethe ließ seinen Faust einen Oster-Spaziergang machen, von dem Kollege Yannick Schlote in seinem Beitrag schreibt. Unsere Kirchengemeinde spaziert am Ostermorgen von der Jubilatekirche für ein Frühstück nach Putzbrunn oder bietet zusammen mit der katholischen Gemeinde Bruder Klaus einen Emmausweg an. Eine uralte Tradition wird da aufgegriffen und weiter gepflegt.

Mich führt mein Osterspaziergang oberhalb des Steinsees richtung Osten und dann leicht einen Hügel hinauf. Vor der Straße biege ich rechts und folge ein Stück der alten Strecke der Eisenbahn, die einmal von Kirchseeon nach Glonn führte. Ich überquere ein Bächlein und die Straße, um dort den gegenüberliegenden Hügel richtung Sonnenhausen hinaufzugehen. Oben angekommen folge ich dem Höhenweg nach Zinneberg.

Den ersten Osterspaziergang machten zwei Jünger. Nach er Kreuzigung hielten sie es wahrscheinlich nicht mehr aus in Jerusalem. Sie trauerten um ihren Freund und Meister und konnten noch nicht ahnen, dass sie ihn wiedersehen würden. So gingen sie gemeinsam ein Stück zu einem Dorf namens Emmaus. Sie redeten miteinander über alles, was ihnen durch den Kopf ging. Einen „walk to talk“ würde man das heute nennen. Da kam noch ein Unbekannter dazu und begleitete sie. Er verstand, was ihnen da auf der Seele lag und gab gute Antworten. Erst als sie dann miteinander einkehrten und zusammen aßen, da erkannten sie ihn: Es war Jesus selbst, der mit ihnen gegangen war! In der Bibel erzählt Lukas (Lk 24,13-35), dass die beiden schnell zu ihren Freunden nach Jerusalem zurückkehrten, um ihnen zu erzählen was sie auf ihrem Spaziergang erlebt hatten. Und seitdem tun wir es ihnen am Ostermontag gleich. 
Mein Osterspaziergang führt mich nach Zinneberg zur Klosteranlage. Zunächst in einen herrlich angelegten kleinen Park mit einem malerischen See, den ich dann ein paarmal umrunde – vielleicht liegt ja hier noch ein Osterei. Dann kehre ich ein im Klostercafé, das liebevoll geführt wird und wo es sich ganz hervorragend frühstücken lässt. Auch das gehört ja zur Emmausgeschichte und zu einem guten Spaziergang sowieso. Ich empfehle, zuvor telefonisch zu reservieren unter 08093-9087-65 oder -11. Nach dem Essen geht es entweder zurück an den Steinsee oder ein Stück nach Glonn, wo ein Bus fährt.

Falls Sie meinen Osterspaziergang ausprobieren möchten finden Sie ihn unter www.komoot.de/tour/1003851289

Pfarrer Philipp Bäumer