Herzlich willkommen!

Mit strahlenden Augen und mit weit ausgebreiteten Armen steht er da: „Schön, dass du da bist! Herzlich willkommen.“ So möchte ich am liebsten immer begrüßt werden.

Ich steh am Eingang, völlig verdutzt. Ich halte in der einen Hand den 3G-Nachweis, in der anderen meinen Ausweis, unter den einen Arm habe ich meinen Schnelltest geklemmt und unter den anderen meine Mütze. Meine Tasche ist mir schon lange runtergefallen. „Du bist hier willkommen, wer auch immer du bist, wie auch immer es dir gerade geht.“

So hat mich die Jahreslosung für 2022 begrüßt. Dieser Vers aus der Bibel wird für jedes Jahr gewählt und steht wie ein Motto über all seinen Tagen. „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Johannes 6,37) So lautet die Losung für 2022. Dazu gehört für mich das Bild von einem Jesus, der seine Arme weit öffnet, mit einem breiten Lächeln, mit der Botschaft, dass er für uns da ist und dass wir, Du und ich, ihm wichtig sind.

Doch zunächst stolpere ich über die negative Formulierung: „Abweisen“. Wann immer ich die Erfahrung gemacht habe, abgewiesen zu werden, war es ein schales Gefühl. Die 3G-Kontrolle, die ich vor dem Phoenixbad und auch an der Kirchentür passiere, dient meinem Schutz in einer gefährlichen Zeit. Aus Rücksicht auf die Gesundheit unserer Mitmenschen haben wir auch in unserer Kirchengemeinde die Regelungen konsequent umgesetzt – ich bin überzeugt, dass es so richtig war und dass unsere Streaming- und Besuchs-Angebote eine gute Alternative sind. Und zugleich kann ich nachvollziehen, wie sich die Betroffenen gefühlt haben.

Denn tief sitzen die eigenen Erfahrungen von Abweisung: auf dem Pausenhof nicht bei den Coolen zu stehen, im Bewerbungsverfahren nicht durchzukommen. Und viel schlimmer: diskriminiert oder unterdrückt zu werden, aus Gründen, die ich – anders als bei der 3G-Kontrolle – nicht selbst verantworte. Nicht richtig zu sein, nicht auszureichen.

Für die Jahreslosung sind alle richtig. „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Das sagt einer, der Außenseiter besuchte, Aussätzige heilte und die Kinder zu sich kommen ließ. Der uns lehrte, dass durch die Taufe alles abgewaschen ist, was uns von ihm trennen könnte: Willkommen! Die so Begrüßten erfahren Sinn und finden Orientierung. Sie lieben ihre Nächsten und Feinde wie sich selbst und verstehen sich als Teil einer Gemeinschaft, in der Unterschiede nicht mehr trennen.

So will Kirche sein, besonders eine „Volkskirche“, die für alle offensteht. In diesem Heft hat unsere Redaktion viele gute Gründe für diese Kirche zusammengestellt. Für mich ist der beste Grund die Haltung, die zu dieser Jahreslosung passt: Du bist willkommen, bedingungslos. Ein geliebtes Kind Gottes. Wer auch immer Du bist und wie auch immer es Dir gerade geht. So versuchen wir jeden zu begrüßen, der zu uns kommt. Mit leuchtenden Augen und einer guten Botschaft.

Wenn ich in der Warteschlange stehe, mit dem 3G-Nachweis in der einen Hand, dem Ausweis in der anderen, dann macht es für mich einen Unterschied, mit welcher Haltung diese Kontrolle geschieht. Wenn wir im Moment noch Grenzen ziehen, dann spricht daraus keine grundsätzliche Abweisung, sondern eine notwendige Maßnahme. Zum Schutz vor eine Bedrohung, die bald überwunden sein wird. Und ich freue mich darauf, das nächste Mal schon wieder mit offenen Armen begrüßt zu werden.

Ihr Pfarrer Philipp Stoltz