Stallgeruch

Weihnachten ist ein Fest für alle Sinne. Um die Musik geht es in dieser Ausgabe – mir klingen sofort die Melodien im Ohr. Und in die Nase steigen mir die Düfte von Weihnachten: Tannenharz und Kerzenduft rieche ich; das gehört dazu. Sonst ist kein Weihnachten.

Diese Aromen kenne ich schon von klein auf: Mit ihnen steigen sofort glückliche Erinnerungen mit auf. Mich umhüllen Wolken von Zimtstern, Puderzucker und Mandelkern aus der Weihnachtsbäckerei in meiner Kindheit. Alles ein wenig verklärt, aber das muss so sein. Und auch verkochter Glühwein, feuerprasselnde Rauchschwaden und dampfende Bratwürste. „Last Christmas“ – das fehlt leider auch in diesem Jahr noch. 

Damals, beim ersten Weihnachten hätte ich mir wohl lieber die FFP2-Maske tief ins Gesicht gezogen. Das Kind in der Krippe – das heißt: Heu und Stroh, Mist und Futterreste, Schweiß und Freudentränen, Ochs und Esel und eine volle Windel; das gehört dazu. Sonst ist kein Weihnachten. Gott nimmt Stallgeruch an: Unseren Geruch, den Geruch der Welt, die nun mal so riecht, wie sie eben ist. Wo manches einfach zum Himmel stinkt.

Wenn sich Menschen in ihre Grüppchen zurückziehen und nur noch mit denen umgeben, die sie gut riechen können. Und dann über die jeweils anderen ihre Nase rümpfen oder noch schlimmer – dicke Luft verbreiten bei der Weihnachtsplanung. Es ist schwierig geworden, den impfskeptischen Onkel mit der veganen Tochter an den selben Christbaum zu bekommen. Doch Gott kommt nicht, um einfach alles zu überdecken. Er kommt, um die Luft dieser Welt zu atmen, die nun mal nicht anders ist. Er bringt seinen eigenen Stallgeruch mit. Eine himmlische Duftnote und mit ihr schon eine Ahnung von Frieden auf Erden.

Gott ist angekommen und steckt seine Nase in unsere Angelegenheiten. Die gehen ihn nämlich etwas an! Zwischen ungewaschenen Hirten und ihren Schafen, Königen mit Weihrauch und Myrrhe, Kerzenwachs und Tannennadeln, liegt irgendwo die Duftspur von Weihnachten – das riecht dann irgendwie doch nach der ganzen Welt, aber trotzdem ganz anders. Es riecht nach Schnee – und nach stiller Nacht, heiliger Nacht.

Ihr Pfarrer Philipp Stoltz