Digital im Kirchenraum

Lieber Herr Breit, Sie sind der Leiter der Social-Media-Redaktion der Evangelischen Kirche in Bayern. Können Sie eigentlich das Smartphone auch manchmal weglegen?

Sehr schlecht. Aber im Urlaub gebe ich mir Mühe und mache "Digital Detox". Vieles, was ich privat gern unternehme, hat auch eine digitale Facette. Wenn ich eine Route zum Mountainbiken aussuche oder ein Foto aufnehme, dann mache ich es mit dem Smartphone. Und wenn ich das einmal in der Hand habe, dann ist die Gefahr groß, dass ich dann gleich weiterklicke.

Und ist das Smartphone wirklich so schlecht wie sein Ruf?

Erst mal hat es viele Vorteile: Ich brauche sonst keine anderen Geräte und kann mir vieles dank dem Handy erschließen. Aber natürlich ist die Grenze zwischen "Privat" und "Arbeit" nur schwer einzuhalten. Und manchmal erscheinen die Inhalte auf Social Media attraktiver als das Leben um mich herum. Weil das so kondensierte, gewonnene Erfahrungen von Menschen sind, die mich berühren. Ich muss halt aufpassen, dass ich nicht den realen Sonnenuntergang und die reale Frau an meiner Seite dabei verpasse.

Sollte eine Kirche also besser ein Freiraum sein, eine nicht-digitale Zone?

Das ist ja ein ganz häufiges Vorurteil: Kirche soll eine "Gegenwelt" sein, nicht nur beim Digitalen. Ich halte nichts davon, Kirche so  eindimensional zu verstehen. Unsere Kirche ist gewiesen an alle Menschen in der ganzen Welt, im ganzen Leben - also auch im Digitalen. Denn Digitalität hat im Leben der Menschen eine wichtige Bedeutung: vom Blutzucker-Messen bis zum Schrittzähler, vom Navigationsgerät bis zum Familien-Chat. Das wollen wir nachvollziehen, weil wir meinen, dass auch Glaube im Leben der Menschen eine wichtige Bedeutung hat. Es gibt viele sinnvolle Möglichkeiten, Digitales in der Kirche einzusetzen und so den Kirchenraum noch weiter zu machen.

Wahrscheinlich ganz besonders in der Pandemie, denn die hat das Digitale noch viel wichtiger gemacht. Als 2020 der erste Lockdown kam haben Sie auf Facebook geschrieben: „Also los! Jetzt gilt's.“ Müssen Sie heute noch Menschen von "Digitaler Kirche" überzeugen oder hat die Pandemie allen die Vorteile gezeigt?

In dieser Situation konnte die "Digitale Kirche" wirklich helfen: Nähe, Gebet, Austausch konnten Menschen dort finden. Doch je länger sich die Pandemie zieht, umso mehr sehnen wir uns nach dem Alten zurück. Digitales hat in der Pandemie besonders gut funktioniert und wird darum auch als etwas gesehen, das wieder abgelegt werden kann, wenn die Pandemie eines Tages vorbei ist. Dabei haben sich viele Dinge auch bewährt und sollten fortgesetzt werden. Und viele digitale Angebote sind nicht nur ein beliebiges Zusatzangebot oder eine nette Notlösung, sondern haben einen ganz eigenen Wert, weil das Digitale eben zum Leben von Menschen fest dazu gehört.

Was hat besonders gut funktioniert, was können wir lernen?

Nicht von den Absendern, sondern von den Empfängern aus zu denken. Digitalisierung bedeutet häufig, dass wir bestehende Angebote nehmen und virtuell nachbauen. Besser wäre es, zu überlegen: Was sind die Bedürfnisse der Menschen und was wäre dafür ein Angebot? Ein geistlicher Impuls, schöne Musik, was zum Mitsingen und eine Gebetsgemeinschaft - das kann in einem analogen Gottesdienst am Sonntag vormittags stattfinden, das kann aber auch zum Beispiel mit Nachrichten auf das Smartphone kommen, falls ich nicht vor Ort sein kann oder eine andere Zeit besser passt. Und ich lege dann nicht mein Handy weg, sondern alles andere was mich ablenkt und nehme mir Zeit für meinen Glauben.

Wir sammeln in diesem Gemeindebrief auch Beispiele, die wir gut finden. Haben Sie auch einen Tipp?

Am schönsten fände ich es, wenn ich das Gesangbuch als Smartphone-App hätte, schon alleine, weil ich mir die Noten dann größer machen könnte. Das gibt es noch nicht, nur auf Papier. Und natürlich gibt es viele schöne Beispiele auf dem großen Markt der Podcasts, der in der Pandemie sehr gewachsen ist. Es gibt KollegInnen, die auf Instagram eine kleine digitale Gemeinde aufgebaut haben. Da erreicht eine Pfarrerin um die 5000 Menschen, das schaffe ich in einer normalen Kirchengemeinde nicht. Das funktioniert.

Und in der Pandemie ist etwas Überraschendes bei den Fernseh-Gottesdiensten passiert: Wegen des Lockdowns waren nur Pfarrer,  Sprecher und die Musiker in der Kirche - keine Gemeinde. Die Menschen haben zurückgemeldet, dass sie da besser mitfeiern konnten. Sie hatten nicht das Gefühl, dass sie nur Zuschauer bei einem Gottesdienst für die Gemeinde vor Ort seien. Sie hatten das Gefühl: Der  Gottesdienst ist wirklich für mich.

Und ich bin nicht nur alleine daheim am Fernseher, sondern da sind auch andere Menschen in ihren Wohnzimmern mit mir.

Und auch Gott, der das verbindet. Wir sind vielleicht nur zwei oder drei, aber wenn das stimmt, was wir glauben, dann sind wir durch ihn wirklich miteinander verbunden, wo auch immer wir gerade sind, an welchem Gerät auch immer.

Vielen Dank, Herr Breit.

Pfarrer Philipp Stoltz