Die Brille der Wärme

Kalt ist es um Weihnachten herum schon immer - zumindest hier bei uns, in Deutschland. Schließlich feiern wir die Geburt von Jesus mitten im Winter.

In diesem Jahr wird es vielen Menschen noch ein bisschen kälter vorkommen. Der eine oder die andere fröstelt vielleicht schon beim Gedanken an den Winter und eben auch an Weihnachten. Denn wer an den Winter denkt, denkt auch an europäische Nachbarn, die nicht nur ihr Haus verlieren könnten, sondern auch um ihr Leben fürchten müssen, um ihr Land, um ihre Zukunft. Wer an den Winter denkt, denkt auch an Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, die Zuflucht suchen, die um Hilfe bitten. Und wer an den Winter denkt, denkt heuer eben auch an die Heizkosten, denkt an Gas-Sparen, denkt an die eigene drohende finanzielle Not. Weihnachten - Frieden auf Erden. Weihnachten - ein Fest der Liebe. Weihnachten - daheim bei Kerzenschein in der warmen Stube im Kreise der Familie. Gibt es das 2022?

Ich schaue auf die Weihnachtsgeschichte. Ich setze mir eine Brille auf. Schaue ich dadurch weg? Nein, ich schaue hin. Ich schärfe meinen Blick mit Hilfe meiner Brille. Ich suche Wärme.

Zunächst einmal sehe ich Maria und Josef - Getriebene, Vertriebene, Suchende. Sie müssen einen langen Weg gehen und schließlich kommen sie an. Sie kommen nach Bethlehem und suchen eine Herberge. Sie werden abgewiesen, wieder und wieder, und dennoch finden sie einen Platz, an dem Maria ihr Kind gebären kann. Ist es eine gute Herberge? Ist es so gemütlich wie daheim? Nein, es ist ein Stall – ein einfacher Unterschlupf zwischen den Tieren. Aber es reicht aus. Es ist warm genug. Es ist sicher. Es ist ein Platz, an dem Gottes Sohn behütet durch die Wärme und die Liebe seiner Eltern das Licht der Welt erblicken kann.

Ich schaue durch meine Brille auf diese Geschichte und entdecke sehr viel Wärme. Die Erzählung strahlt mich an. Ich kann Hoffnung schöpfen. Ich hoffe, auch dieses Jahr im Winter in einer Gemeinschaft zu leben, in der ich geborgen sein kann und die noch Platz hat, um anderen Geborgenheit zu schenken. Ich hoffe und vertraue darauf, dass ich auch in einem kälteren, sparsameren Winter dadurch Wärme geschenkt bekomme. Ich rücke enger zusammen, ich begnüge mich, ich freue mich an den einfachen Dingen. Ich weiß, ich feiere den Gottesdienst und ich feiere die Geburt Jesu vielleicht in einer Kirche, die nur auf 11 Grad geheizt wird, aber genau deshalb gehe ich dorthin: Um sie mit meiner Wärme zu füllen, um die Wärme zu teilen, um Wärme zu empfangen - mit oder ohne meine Brille.

Kalt ist es um Weihnachten herum. Aber an Weihnachten dürfen wir hoffen und beten und daran glauben, dass wir Beistand haben. Und uns dabei gegenseitig ein wenig aufwärmen.

Anette Vogt,
Grundschullehrerin und Mitarbeiterin im Kinder- und LobpreisGD