Liebe Gemeinde! Im Advent wurden bei uns in der Familie die Gesellschaftsspiele hervorgeholt: Dann spielten wir Mensch ärgere Dich nicht, Kniffel, Rummikub. Diesen Geist des Spielhaften habe ich zum Anlass für diesen Beitrag genommen. Spielen kann man schließlich auch mit Worten und Texten. Völlig neue Formen der Wortspielerei erlauben sogenannte Textgeneratoren im Internet. Auf der Grundlage von Stichworten erstellen diese Computerprogramme kurze Texte zum gewählten Thema, indem sie unzählige, öffentlich zugängliche Dokumente zu ihrer Datengrundlage nehmen. Lesen Sie mal, was diese vermeintlich intelligenten Computerprogramme aus dem Stichwort „Dankbarkeit im Advent“ machen:
Es ist schwierig, seine Gefühle ohne Worte auszudrücken. Dankbarkeit, Liebe und Freundlichkeit sind die besten Beispiele für solche Gefühle. Viele Menschen drücken ihre Gefühle der Dankbarkeit aus, indem sie anderen durch Geschenke ihre Liebe ausdrücken. Dankbar zu sein verwandelt negative Gedanken in positive. Mit Dankbarkeit zu handeln macht Sie viel glücklicher und optimistischer. Menschen, denen diese Eigenschaften fehlen, haben Mühe, das Leben zu genießen. Ein dankbarer Mensch handelt schnell und entschlossen, wenn er mit einem Problem oder einer Herausforderung konfrontiert wird. Aus diesem Grund ist die Selbstliebe so entscheidend, um ein ausgeglichenes Leben zu führen, das von echter Demut und Dankbarkeit gegenüber den vielen Segnungen erfüllt ist, die sowohl sich selbst als auch seinen weniger glücklichen Brüdern von denselben, denselben, vorgenannten jeweilige jeweilige jeweilige Nummer eins Platz am göttlichsten begabt am göttlichsten begabt am göttlichsten begabt am göttlichsten begabt am göttlichsten begabt.
Predigt, nicht einmal für eine Grußkarte taugt es. So allgemeine Aussagen über den Dank verlieren sich in Beliebigkeit. Kurzum: Der Computer hat inhaltsleeren Kitsch produziert. Nun kann man über die Blödheit solcher Textprogramme schmunzeln. Gleichzeitig beschleicht mich das Gefühl, dass einzelne Passagen gar nicht weit von dem entfernt sind, wie wir in Kalenderblättern, Zeitschriften oder über Messengerdienste mit dem Thema Dankbarkeit in Berührung kommen. Viele der Sätze sind eben nur eine Spur banaler als das, wie uns häufig das Thema Dank begegnet. Und gerade in der Adventszeit sind wir empfänglich dafür, wenn allzu leichtfertig Reden über Dankbarkeit und Liebe geschwungen werden, die eigentlich nichts zu sagen haben.
Vielleicht ist es ihnen aufgefallen, dass der Advent im Text selbst nicht vorkommt. Stattdessen verliert der Computertext am Ende seine Satz- und damit auch seine Sinnstruktur. Ich muss sagen: Wie erleichternd. Für mich wird dieser Ausbruch aus der Enge der Dankes-Plattitüden zu einem Sinnbild für das Warten auf Gott im Advent. Gott kommt nicht in die Welt auf den ausgetrampelten Denkpfaden unserer Klischees. Wir erwarten nicht den aufgewärmten Glanz vermeintlich besserer Tage, sondern Gottes lebendige, immer neue Gegenwart. Dafür haben wir nicht immer schon die richtigen Worte parat. Der Advent ist damit eine Zeit innerer Spannung: Unser Herz soll sich – und zwar jedes Jahr aufs Neue – auf die Ankunft (lat. adventus) Gottes einstellen. Darin liegt ja auch das Potential: Wir dürfen mehr erwarten als eine richtungslose Gefühligkeit. Wir dürfen und sollen mehr von Advent und Weihnachten erwarten, damit das Warten uns auch tatsächlich anrühren und uns verändern kann. Dass es diese spannungsvolle Erwartung braucht, die wir selbst oft gar nicht herstellen können, sondern für die es letztlich Gott zu danken gilt, darum weiß unsere Tradition. In der letzten Strophe des Adventslieds „Mit Ernst, o Menschenkinder“ schließlich heißt es:
Ach mache du mich Armen / zu dieser heilgen Zeit / aus Güte und Erbarmen, / Herr Jesu, selbst bereit. / Zieh in mein Herz hinein / vom Stall und von den Krippen, / so werden Herz und Lippen / dir allzeit dankbar sein.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit!
Vikar Yannick Schlote