Liberales Judentum in München

Ein Interview mit Eva Ehrlich von der jüdischen Gemeinde Beth Schalom e.V.

Sie sind eine engagierte Münchner Jüdin. Was können Sie uns zu Ihrer Person berichten?

Seit 25 Jahren bin ich Mitglied von Beth Shalom. Ich bin als Kind von Shoah-Überlebenden in Prag geboren und aufgewachsen, in der Tradition des progressiven Judentums und immer mit Erinnerung an die Familiengeschichte. Seit 25 Jahren bin ich Mitherausgeberin von haGalil.com – www.hagalil.com, da mir wichtig ist, Themen rund um Judentum und jüdische Geschichte zu vermitteln und, vermehrt in den letzten Jahren, mich gegen Antisemitismus zu engagieren. Im Vorstand von Beth Shalom war ich 3 Jahre als stellvertretende Vorsitzende tätig, bei der Mitgliederversammlung am 21.3.2021 wurde ich zur ersten Vorsitzenden gewählt.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Was ist Ihnen an diesem Jubiläum besonders wichtig?

Es ist schön, dass es so viele Veranstaltungen und ausführliche Berichterstattung in diesem Jahr gibt. Es kann sicher dazu beitragen, jüdisches Leben sichtbarer zu machen, das Bewusstsein zu erhöhen. Aber ich sehe es auch ein wenig skeptisch, wie sich die Medien derzeit richtiggehend auf uns stürzen. Und was ist nächstes Jahr? Ist dann wieder alles vergessen?

Jüdisches Leben: Bei welchen Anlässen fühlen Sie sich als Jüdin besonders lebendig?

Lebendig fühle ich mich zum Glück immer. Was mein Judentum angeht, ich verstecke es nicht und bin gerne aktiv in meiner Gemeinde. So freue ich mich beispielsweise immer, wenn ich Synagogenführungen für Schulklassen machen darf und das Interesse der Kinder am Thema Judentum sehe, vor allem bei Mädchen, die nach der Rolle der Frau im Judentum fragen.

Was sind wichtige Anliegen und Veranstaltungen Ihrer Gemeinde?

Wir feiern jeden Freitagabend zusammen in der Gemeinde den Schabbat-Beginn mit einem Gottesdienst. Wir feiern auch alle unsere Feste zusammen – jetzt bald Pessach. Wir feiern mit einem großen Gottesdienst das Neujahr – Rosch ha Schana und wir beten zusammen am Jom Kippur. Die Gemeinde begeht auch gemeinsam Gedenktage wie den Jom haShoa. Leider können wir jetzt in Coronazeiten nur begrenzt in der Synagoge zusammenkommen, aber alle Gottesdienste werden per Zoom übertragen, so dass fast alle Mitglieder teilenehmen können.

Wenn Corona nicht wäre: Gibt es Veranstaltungen, zu denen auch nichtjüdische Menschen kommen können?

Wir haben mehrmals im Jahr einen Besuchergottesdienst am Freitagabend, zu dem sich nichtjüdische Menschen anmelden können, zurzeit eben nur per Zoom.

Haben Sie eine Lieblingsstelle in der hebräischen Bibel, zu der Sie uns etwas sagen wollen?

Wir lesen jede Woche einen Wochenabschnitt der Tora, die Kontinuität ist dabei das Entscheidende, so dass ich nicht sagen kann, welchen ich am liebsten mag. Es gibt ein Gebet, das ich sehr gerne habe, Ahawat Olam. Es wird am Freitagabend, kurz vor dem zentralen Gebet, dem Höre Israel, gesungen. Für mich ist dieses Gebet der Ausdruck meiner Religiosität.

„Mit unzerstörbarer Liebe liebst du Israel, dein Volk. Die Tora, Gebote, Satzungen und Rechtssprüche hast du uns gelehrt. Deshalb bist du, Ewiger, unser Gott. Wenn wir uns niederlegen und wenn wir aufstehen, denken wir über deine Satzungen nach. Und wir freuen uns und sind allzeit fröhlich über die Worte deiner Weisung, deiner Gebote und deiner Satzungen, denn sie sind unser Leben und unsere Lebenszeit. Wir sinnen darüber nach Tag und Nacht. Lass niemals deine Liebe von uns weichen. Gepriesen seist du, Ewiger. Du liebst Israel, dein Volk.“

Vielen Dank, Frau Ehrlich, für Ihre Antworten und alles Gute Ihnen und Ihrer Gemeinde!